21 Mai Fatte a mano
Die heimliche Modehauptstadt Italiens liegt in der Toskana. Nicht nur Gucci, Salvatore Ferragamo, Roberto Cavalli oder Emilio Pucci haben ihrenStammsitz in Florenz. Bis heute hat sich eine veritable Zahl an Manufakturen gehalten, die Kleidung, Taschen, Schuhe oder Duftwässer nach traditionellen Methoden produzieren. Einige ihrer Wurzeln reichen sogar in die Zeit der Medici zurück.
Dass die italienische Mode auf der internationalen Bildfläche erschien, hatte sie anfangs weder Mailand noch Rom zu verdanken. Es war der Geschäftsmann Giovanni Battista Giorgini, der in seiner Florentiner Villa 1951 bis 1953 die ersten Couture-Schauen der Nachkriegszeit organisierte und damit den Grundstein für den späteren Erfolg von „Made in Italy“ legte. Während Mailand in den sechziger Jahren zum Zentrum der Prêt-à-Porter aufstieg, hat das Handwerk seine Rolle in Florenz nicht aufgegeben. Von alteingesessen wie neu gegründete Manufakturen wird die Tradition bis heute weiterhin gelebt. Für Aufsehen sorgte der Schuhmacher Stefano Bemer, der seine Werkstatt 1983 in der Straße Borgo San Frediano eröffnete. Mehr als 40 Arbeitsstunden stecken in jedem der 180 Paar Maßschuhe, die seine Werkstatt im Jahr verlassen. „Die Schönheit eines handgefertigten Schuhes liegt in seinem Inneren“, pflegte Bemer stets zu sagen und überließ nichts dem Zufall. Sämtliche Komponenten wie Kleber und Garne werden eigens angefertigt, während selbst die Schnürsenkel auf alten Maschinen gewoben werden. Neben Kalbsleder kommen auch exotische Ledersorten wie Krokodil, Hai, Kröte oder Flusspferd zum Einsatz. Geliefert werden die Schuhe in hölzernen Kisten mit den Monogrammen der Kunden – mitsamt exakt passender Schuhspanner und einer selbst hergestellten Schuhcreme aus natürlichen Zutaten.
Mit seiner Besessenheit für Qualität galt Bemer bald als bester Schuhmacher Italiens und zog eine Vielzahl junger Leute nach Florenz, die bei ihm das Handwerk lernen wollten. Nicht nur der heute in London gefeierte Schuhdesigner Justin Fitzpatrick („The Shoe Snob“) ging durch Bemers Schule. Auch Daniel Day-Lewis betrat 1999 auf einer Toskana-Reise sein Geschäft. Nach einem längeren Gespräch orderte er mehr als ein Paar Maßschuhe. Weil der britisch- irische Hollywoodstar der Schauspielerei zunehmend müde war, fragte er Bemer, ob er ihn ausbilden würde. Der Meister willigte schließlich ein und so stand der Oscar- Preisträger neun Monate lang jeden Morgen pünktlich um acht vor seiner Werkstatt. „Er war mein bester Lehrling“, bekannte Bemer später und zeigte sich beeindruckt von der Akribie, mit der sich Daniel Day-Lewis aufs Handwerk stürzte.
Als Stefano Bemer im Juli 2012 nach einer langen Nierenerkrankung mit nur 48 Jahren verstarb, würdigte ihn selbst der Bürgermeister von Florenz mit einer offiziellen Erklärung. In den ersten Monaten nach Bemers Tod setzte sein Bruder Mario die Fertigung fort, bis Anfang 2013 die Florentiner Ledermanufaktur Scuola del Cuoio die unternehmerische Leitung übernahm. Neben der Fertigung von Maßschuhen soll die bereits unter Bemer begonnene Produktion von Serienmodellen weiter ausgebaut werden. Mit Massenware haben allerdings auch diese Schuhe nichts gemeinsam und werden nach denselben Methoden hergestellt wie Maßschuhe.
Während Stefano Bemer längst zu einer Marke wurde, ist Roberto Ugolini stets persönlich in seiner Werkstatt in der Via de Michelozzi anzutreffen. Wer bei ihm ein Paar Maßschuhe bestellt, sollte es nicht eilig haben. Nach dem Vermessen der Füße schnitzt er zunächst einen Leisten aus Buche. Nach dessen Maßen wird ein Probierschuh angefertigt, der auf den ersten Blick genauso aussieht wie der fertige Schuh. Lediglich im Inneren wird deutlich, dass Reste oder einfachere Lederqualitäten verwendet wurden. Nach der Anprobe wird der Kunde für einige Stunden zum Spazieren durch die Florentiner Innenstadt geschickt. Anschließend wird der Schuh von Ugolini wieder aufgeschnitten, um zu erkennen, an welchen Stellen der Leisten noch verbessert werden muss. Sechs bis zwölf Monate benötigt das erste Paar Schuhe. Jedes weitere ist bereits nach zwölf Wochen zu haben.
Nicht nur zu den Stammkunden der Florentiner Schuhmacher gehören viele Japaner, sondern ebenso zu ihren Lehrlingen. Die meisten von ihnen haben eine Ausbildung an der Schuh-Akademie in Siena absolviert und suchen im Anschluss ihre ersten praktischen Erfahrungen in Florenz. Als bislang einziger Japaner hat Hidetaka Fukaya 1999 sein eigenes Maßatelier in der Via de‘ Federighi eröffnet. Der Schüler von Roberto Ugolini fertigt unter der Marke „Il Micio“ (die Katze) neben Maßschuhen auch eine Kollektion an handgefertigten Serienmodellen aus überwiegend exotischen Ledersorten.
Wenn Wanny di Filippo durch Florenz geht, sticht der charismatische Bartträger mit seinen farbigen Westen und Schals schon von Weitem aus dem Meer der Touristen heraus. Seine Manufaktur „Il Bisonte“ produziert seit 1970 Taschen für Damen und Herren aus feinem Rindsleder. Die Häute werden nach einem alten Verfahren mit Tannin gegerbt, das aus der Rinde von Kastanienbäumen gewonnen wird. Das Leder wird dadurch weicher, robuster und nimmt auch nach Jahren keinen miefigen Geruch an. Die Tasche „Sabrina“, die wie ein gefalteter Beutel von zwei Lederriemen zusammengebunden wird, ist der Klassiker des Hauses und wird seit den siebziger Jahren unverändert produziert. Der Name und das Logo der Manufaktur folgen einer Obsession: Mehr als 1.000 Bison-Figuren aus aller Welt hat Wanny di Filippo zusammengetragen, die zusammen mit alten Spielsachen, Leuchten und ausgestopften Tieren in den Räumen des Palazzo Corsini gezeigt werden. Florenz hat jedoch weit mehr zu bieten als handgefertigte Schuhe und Taschen. Wer den Herrenausstatter „Frasi“ in der Via de‘ Federighi betritt, findet neben hochwertiger Konfektion ebenso einen eigenen Maßservice. Inhaber Simone Righi hat selbst zwar kein Handwerk erlernt. Doch der Sohn einer Florentiner Schneiderin, den Modeblogs wie „The Sartorialist“ längst zur Stilikone erhoben haben, hat ein sicheres Gespür für die passenden Schnitte und Stoffe. Gefertigt werden seine Maßanzüge beim Florentiner Schneider Danilo oder in den Werkstätten von Kiton und Cesare Attolini in Neapel.
Für maßgeschneiderte Hemden gilt Leonardo Bugelli als erste Adresse, der sein Geschäft seit 1994 in der Via Fra‘ Bartolomeo unterhält. Für jeden Kunden näht er zunächst ein Musterhemd, um letzte Änderungen an der endgültigen Passform vorzunehmen. Neben hochwertiger Baumwolle kommen ebenso Seide und Leinenstoffe zum Einsatz, die teils auf Webstühlen aus dem 19. Jahrhundert hergestellt werden. Die Knöpfe sind aus australischem Perlmutt gearbeitet, während sämtliche Knopflöcher von Hand genäht werden. Darüber hinaus fertigt Leonardo Bugelli auch Krawatten in limitierten Editionen an, die von Barack Obama und dem italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano getragen werden.
Dass Florentiner Handwerk ebenso durch die Nase gehen kann, ist einer Überschwemmung im Jahr 1966 zu verdanken. Als sich die Fluten des Arno wieder ins Flussbett zurückgezogen haben, wurde im Schlamm ein Manuskript aus der Zeit der Renaissance entdeckt. Dass es sich bei dem Finder um den Chemiker und Parfümeur Giovanni Di Messimo handelte, war ein glücklicher Zufall. Denn auf dem Papier standen die Originalrezepte mehrerer Parfüms, die einst von den Medicis in Auftrag gegeben wurden. Unter der Marke „I Profumi di Firenze“ (Die Düfte von Florenz) ließ Giovanni Di Messimo die Rezepturen wieder aufleben, darunter auch einige persönliche Düfte für Prinzessin Caterina de Medici (1519-1589). Hergestellt werden die Parfüms aus natürlichen Essenzen in den Verkaufsräumen der Manufaktur an der Piazza della Signoria. Die Officina Profumo Farmaceutice di Santa Maria Novella wurde 1221 im Kloster Santa Maria Novella gegründet und zählt zu den ältesten Apotheken der Welt. Anfangs waren die Salben und Tinkturen, die aus den Kräutern des Klostergartens hergestellt wurden, nur den Mönchen vorbehalten. Nachdem sich die Qualität der Produkte bis weit über die Grenzen von Florenz herumgesprochen hatte, wurden die Verkaufsräume 1612 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zu den Spezialitäten gehörten fortan neben Duftwässern auch Potpourris. Die seit 1508 hergestellte Mischung „Albarello“ wird bis heute in reich verzierten Tongefäßen geliefert, die wie in der Renaissance mit natürlichen Farbpigmenten von Hand bemalt werden. Ein weiterer Klassiker ist das „Aqua di Santa Maria Novella“ aus dem Jahr 1614. Das aus Balsamkraut, Minze und Zimt hergestellte „Antihysteriewasser“ wird in Wasser gelöst und nippend getrunken. Selbst notorische Quälgeister sollen mit dieser wahrlich zeitlosen Rezeptur wieder zu Ruhe finden.
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