06 Mrz Walking on Cars
Denkt man an Irland, verbindet man den kleinen Inselstaat zu meisten mit Stereotypen wie Pubs, den Saint Patrick’s Day und urischer Folk Music. Dass die Iren aber auch was anderes auf dem Kasten haben, beweist die Alternativ-Rock-Band Walking on Cars.
Von Stephanie Sommerfeld
Mit ihrem Debütalbum Everything this Way kletterte die Band aus Dingle 2016 an die Spitze der irischen Album-Charts. Ihre daraus ausgekoppelte Single Speeding Cars brachte auch den Durchbruch in Deutschland mit sich. Es folgten Auftritte beim Musikfestival Rock am Ring und Interviews in Fernsehsendungen wie Circus Halligalli. In diesem Jahr erschien endlich ihr zweites Album Colours, welches sie in zahlreichen deutschen Städten auf ihrer Promotour den Fans präsentierten. Anlass genug also, um die Jungs und das Mädel rundum Walking Cars in die Mangel zu nehmen, um mit ihnen über Musik, ihr neues Album und ganz persönliche Vorlieben zu sprechen.
Walking on Cars – Auf Autos laufen. Woher kommt dieser Name? Wer ist auf diese Idee gekommen? Ist es eine Dingle-Sache, dass die Teenager nachts auf Autos laufen?
Paul: Evan hat tatsächlich an einem Abend, als wir getrunken haben, vorgeschlagen, über parkende Autos zur nächsten Bar zu laufen. Haben wir aber leider nicht gemacht. Zu der Zeit, als wir über einen Namen nachdachten, waren wir so verzweifelt, dass wir beschlossen, dass erstbeste, was der nächste zu uns sagt, als Bandnamen zu wählen. Dann kam Evan vom Klo und sagte: „Ey, wollen wir über Autos zur nächsten Bar gehen?“ („Ey, do you wanna walk on cars to the next bar?“).
Dingle hat nur ungefähr 2.000 Einwohner. Aber der berühmteste ist ein Delphin namens Fungie. Habt ihr ihn jemals gesehen?
Sorcha: Ja, tatsächlich haben wir ihn schon gesehen. Er existiert wirklich. Es ist ein wilder Delphin, also ist er nicht in Gefangenschaft, aber er scheint Dingle einfach zu lieben, also bleibt er hier. Manchmal kommen andere Delphine an die Küste und bleiben ein paar Monate, aber Fungie ist immer da. Es gibt sogar einige Leute, die ihn berühren können.
Was gibt es sonst noch in Dingle zu sehen?
Sorcha: Wir haben tolle Landschaften und Musik, vor allem viel traditionelle, irische Musik. Man kann durch die Stadt spazieren und hört Musik von überall. Meistens gibt es in den Pubs eine Menge traditioneller Musik-Sessions, bei denen verschiedene Leute spielen. Es gibt 50 Bars für 2.000 Personen und es ist viel weniger touristisch und nicht so voll, wie zum Beispiel Dublin.
Was macht Dingle eurer Meinung nach zu einer so inspirierenden Stadt für Musiker und Schriftsteller?
Patrick: Als wir aufwuchsen, gab es überall nur traditionelle Musik. Wir hatten auch „The Voice“, was wie ein Musikfestival ist, das vor 15 Jahren nach Dingle kam, als wir noch Teenager waren. Die größten Künstler der Welt wie Amy Winehouse kamen hierher, um in dieser kleinen Stadt für 50 oder 60 Leute zu spielen. Ich denke, das hat uns definitiv sehr inspiriert, unsere eigene Musik zu produzieren, und uns auch eine bestimmte Richtung gegeben.
Wie beeinflusst das Leben in einer kleinen Stadt eure Arbeit als Musiker und euren Musikstil? Glaubt ihr, ihr hättet einen anderen Sound, wenn ihr zum Beispiel aus Dublin wärt?
Sorcha: Ja, ich denke schon. Wir haben als fünf Leute angefangen, die Musik machen wollten, die keine traditionelle Musik ist. In Dublin hätte es Tausende von Menschen mit demselben Traum gegeben. Es ist also viel schwieriger, dort eine Band zu gründen. In Dublin wird man mehr in eine besondere Art von Musik gedrängt. In Dingle haben wir keinen Druck, in eine bestimmte Szene zu passen, weil der Ort irgendwie isoliert ist. Wir haben das gemacht, was wir gut fanden, und die anderen haben es gemocht; so hat es funktioniert.
Welche Art von Musik hört ihr privat?
Paul: Ich habe Maximo Park geliebt, die auch in der Columbia Halle in Berlin gespielt haben. Jetzt höre ich eher entspanntere Musik wie James Vincent McMorrow aus Irland, aber ich stehe auch immer noch auf Heavy Metal. Ich habe viel Metal gehört, als ich jünger war, und einige der Bands sind einfach bei mir geblieben.
Sorcha: Ich liebe Maribou State, eine englische Band. Aber ich höre auch viel Nils Fromm und es gibt diese deutsche Klaviergruppe namens Grandbrothers, die ich sehr mag. Außerdem bin ich ein Fan von elektronischer Musik. Einmal wollte ich in Berlin ins Berghain, aber ich bin nicht reingekommen, anstatt dessen landete ich im Tresor. Ich bin nicht so ein Metalhead Evan. Er ist von uns der echte Metalhead.
Evan: Schuldig. Meine Lieblings-Metal-Bands sind Therapy? und Metallica.
Wie sieht ein typischer Abend vor und nach einem Auftritt aus? Sex, Drugs and Rock ’n‘ Roll oder Tee, Kuscheldecken und Relax?
Paul: Vor dem Auftritt sind es eher Tee und Chillen. Wir trinken nicht vor der Show, weil wir professionell sind (lacht). Gegen Ende der Show trinken wir einen oder zwei. Am Ende schießen wir uns manchmal ab, besonders wenn Freunde kommen, weil sie erwarten, dass wir danach mit ihnen feiern. Wenn wir auf Tour sind, gehen wir nur aus, wenn wir am nächsten Tag frei haben.
Als ihr mit den Kooks auf Tour wart, habt ihr die Fans eher als jung und verrückt bezeichnet, wie die Fans bei einem Boyband-Konzert. Wie würdet ihr eure Fangemeinde jetzt beschreiben? Jung, alt, alternativ, emo?
Patrick: Es ist eine Mischung aus allem. Unsere Fans sind zwischen 14 und 50 Jahre alt. Letzte Nacht habe ich ein Selfie mit einem 65-Jährigen gemacht. Ich finde das großartig. Wir haben eine sehr treue Fangemeinde. Es gibt einige Fans, die wir fast persönlich kennen, weil wir sie bei jeder Show sehen. Wir lieben es, Hallo zu sagen, Fotos zu machen und uns nach den Konzerten mit unseren Fans zu unterhalten.
Sorcha: Ich erinnere mich, als wir das zweite Mal in Deutschland waren und nach dem Auftritt zum Merch-Tisch gingen, um uns mit Fans zu treffen. Wir haben nicht bemerkt, dass die Auftritte größer wurden und es somit viel mehr Leute gab die uns treffen wollten. Bei diesem einen Gig mussten wir unser Meet and Greet abbrechen, weil es zu verrückt wurde. Wir wurden hinter den Merch-Tisch geschoben. Bei kleineren Auftritten ist es einfacher, mit den Leuten in Kontakt zu treten.
Bisher wart ihr hauptsächlich in Großbritannien und Europa unterwegs. In welcher Stadt würdet ihr gerne einmal spielen? Oder in welchem Land würdet ihr gerne touren?
Patrick: Wir würden gerne in China, Japan oder Australien touren, vielleicht in Sydney.
Mit welcher Band oder welchem Künstler würdet ihr gerne touren? Egal ob tot oder lebendig?
Sorcha: Ich denke die Beatles. Das wäre ein großartiger Einblick in ihre Musik.
Paul: Ich würde gerne mit den Foo Fighters touren.
Sorcha, wie ist es, die einzige Frau in der Band zu sein?
Sorcha: Ähm, es ist in Ordnung. Wir machen das schon seit Jahren, es ist ziemlich entspannt und hat eine ganz normale Dynamik. Es ist überhaupt nicht seltsam oder komisch. Es ist nur seltsam, wenn wir manchmal an einen Veranstaltungsort ankommen und man die einzige Frau im Gebäude ist. Die Crew und die Leute, die hinter den Kulissen arbeiten, sind ebenfalls meist männlich.
Abgesehen von der Musik? Was ist eure Leidenschaft?
Sorcha: Ich liebe es draußen zu sein, wie in die Berge zu gehen, einen Spaziergang zu machen und den Regen und den Wind zu spüren. Ich fühle mich lebendiger, wenn ich die Elemente auf meiner Haut fühle.
Paul: Ich surfe und spiele gerne Golf.
Evan: Manchester United. Ich bin ein Fan, seit ich denken kann.
Euer neuester Song heißt Monster. Hattet ihr als Kind Angst vor Monstern? Welche anderen Ängste hattet ihr als ihr klein wart oder sogar heute noch?
Sorcha: Ich erinnere mich, dass ich in meiner Jugend diesen gruseligen Traum hatte, dass ein Krieg ausbrechen würde. Ich war in meinem Schlafzimmer und da waren plötzlich überall Panzer und das totale Chaos brach aus. Es war wirklich gruselig.
Patrick: Ich muss an den Weihnachtstag denken, an dem sich die ganze Stadt verkleidet hat, Masken trägt und Musik für wohltätige Zwecke spielt. Es ist eine irische Tradition, dass die Menschen in unserer Stadt am Tag nach Weihnachten mit Masken herumlaufen. Ich erinnere mich, dass ich eines Tages zu Hause geblieben bin und Playstation gespielt habe. Gegen sieben oder acht Uhr Abends ist jemand um unser Haus herumgelaufen. Ich war alleine zu Hause, und alle diese Leute trugen sehr gruselige Masken und ich dachte nur „Oh mein Gott, ich werde sterben!“. Also habe ich mich eine halbe Stunde in meinem Zimmer versteckt.
Heute gibt es keinen Grund mehr sich zu verstecken. Danke für das offene Gespräch und viel Erfolg auf eurer Tour.
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