12 Okt Phantomkunst
Seine Urban Art bringt Millionen ein, doch wer er ist, weiß niemand mit Bestimmtheit. Banksy lehnt den Kunstbetrieb ab und ist dennoch derzeit einer seiner größten Stars. Aktuell sorgt das Phantom-Phänomen mit einer Ausstellung in München für Aufsehen.
Zusätzlich gezeigte andere Urban Art Künstler sind eine gelungene Abrundung oder Ergänzung zum “King of Urban Art”. “Unser Gedanke ist, das Werk zu teilen. Das steht für uns als Sammler im Vordergrund.” Als Sarah Kronsbein die Ausstellung “Banksy – King of urban art” in der renommierten Galerie Kronsbein eröffnet, tut sie etwas, das es so eigentlich gar nicht geben kann. Denn der gefeierte Streetart-Künstler Banksy, dessen Identität auch mehr als 20 Jahre nach dem Auftauchen seiner ersten Schablonen-Graffitis im englischen Bristol nicht zweifelsfrei geklärt ist, kooperiert nicht mit Galerien. Doch Sarah Kronsbein und ihr Vater, der ehemalige Unternehmer und Kunstmäzen Dirk G. Kronsbein, sammeln seit vielen Jahren Banksys Kunst. Siebdrucke, Editionen, Auftragsarbeiten – Banksy arbeitete um 2002/03 für und mit einem kleinen Kreis seiner Anhänger, so gelangten einige seine transportablen Bilder in Umlauf. “Sammeln ist wie eine Trüffeljagd, wenn man einmal anfängt, ist man getrieben und plant entsprechende Reisen, um auf die Suche zu gehen. Man baut eine Verbindung zum Künstler auf, auch wenn man ihn nicht kennt,” erzählt Kronsbein. Die private Sammlung wird nun der Öffentlichkeit präsentiert und so kommt Banksy auf Umwegen zu einer 40 Werke umfassenden Schau in Deutschland. Ausgerechnet in München – einer “Graffiti-Stadt” wie der ehemalige Bürgermeister Christian Ude in seiner Eröffnungsrede stolz betont. Eine Aussage, die man auch ironisch verstehen kann.
Für gewöhnlich sind die Ausstellungsräume des Guerilla-Kunst-Popstars die Straßen dieser Welt: New York, Hamburg, London – kaum eine Metropole, die nicht mehr oder weniger stolzer Besitzer eines Banksys ist. 2015 eröffnete der König der Streetart mit “Dismaland” einen bizarren Vergnügungspark in England, in dem er seine eigenen und die Werke anderer Künstler ausstellte. Eine Parodie auf die bonbonsüße Disney-Welt und mit mehr als 140.000 Besuchern ein riesiger Erfolg, wie alle Banksy-Aktionen.
Die meistens von ihnen entstehen über Nacht, in der Regel illegal. Bis heute will New York den (vermutlichen) Briten wegen Vandalismus hinter Gittern sehen und doch reißen sich Sammler um die provokanten und humorvollen Graffitis, die meistens im Kontext einer gesellschaftpolitischen Aussage stehen. Soziale Ungerechtigkeit, Homophopie, Krieg, Flüchtlingskrise, Konsum, Popkultur – Zeitgeist und Misstände sind Banksys Anliegen, seine Schablonenkunst versieht er häufig mit entsprechend ironischen und zynischen Kommentaren.
Meistens trifft der circa 40-Jährige damit schmerzhaft genau den Nagel auf den Kopf, was auch Familie Kronsbein begeistert: “Dieser Humor und die Ironie bringen einen dazu, sich damit zu befassen, auch wenn man die Aussage vielleicht nicht auf den ersten Blick erfasst. Viele versuchen das Werk in seinem Kontext zu verstehen, an dem Ort und der Umgebung in der es zu einem bestimmten Zeitpunkt entstand. Doch man versteht es auch für sich, losgelöst von der Umgebung, so wie es in der Ausstellung hängt. Man muss nirgendwo hingehen, um die Message zu verstehen.”
Mittlerweile werden die zum Teil schon ikonischen Motive, die in der Tradition von Pop-Art-Künstlern wie Andy Warhol stehen, offiziell geschützt. Nicht selten entstehen Plexiglaswände zwischen der Open-Air-Kunst und deren Betrachtern. Glückliche Hausbesitzer melden mittlerweile sogar Eigentumsrechte an den wertvollen Banksys an. Die Ungeklärtheit seiner Identität, gipfelnd in dem oscarnominierten Dokumentarfilm “Exit Through the Gift Shop” von 2010, wurde zu einem weiteren maßgeblichen Teil seiner verblüffenden Selbstinszenierung und seines Erfolgs.
Stets kontrolliert Banksy welche seiner faszinierenden Graffitis wo und in welchem Umfang im Umlauf sind. Dabei hat der Guerilla-Künstler seine ganz eigenen Vorstellungen: Denn es braucht eine Mischung aus Eitelkeit und Humor, die eigenen Werke unaufgefordert in berühmten Museen wie dem MoMA, der Tate Modern oder auch dem Louvre aufzuhängen. Zur Finanzierung seiner zahlreiche Charity-Projekte produziert Banksy mittlerweile außerdem Editionen in kleinen Auflagen. Um deren Echtheit belegen zu können, werden halbe Lady Diana Pfund-Noten, die eine fortlaufende Nummer enthalten, zerrissen. Die eine Hälfte wird an der Rückseite des Bildes angebracht, die andere bewahrt Banksys Büro in England auf – Fälschung trotz zahlreicher Streetart-Trittbrettfahrer ausgeschlossen.
Es existieren zahlreiche geheimnisvolle Theorien darüber, wer genau hinter den wiederkehrenden Bananen, der berühmten Mafia-Ratte, den knutschenden Polizisten oder der verfremdeten Mona Lisa steckt. Es häufen sich, insbesondere nach einer professionellen Profiler-Analyse Anfang diesen Jahres, die Hinweise darauf, dass es sich bei Banksy um Robert Cunningham aus Bristol handelt. Dennoch halten sich auch andere Gerüchte hartnäckig: So soll es sich bei Banksy um eine Künstlergruppe handeln, die aus mehreren Männern oder – je nachdem, mit wem man sich unterhält – Frauen bestehen soll. Eingeweihte Sammler müssen übrigens unterschreiben, nicht preiszugeben wer Banksy ist – oder sind.
Banksy – King of urban art @ Munich
14. April bis 10. September 2016
Galerie Kronsbein, München
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