17 Okt Rabenherz
Ihre Songs sind momentan omnipräsent, die New York Times bezeichnet sie als eine der sehenswertesten Künstlerinnen – und Universal Music nimmt sie auch gleich unter Vertrag. Mit poetischen Lyrics, kristallklarer Stimme und mystischen Klangfarben erweckt sie die Vision von dunklen Wäldern, Fjorden und überwältigenden Naturschauspielen zum Leben.
Bei der norwegischen Newcomerin Aurora Aksnes stehen momentan alle Zeichen auf Erfolg: Mit gerade mal 19 Jahren steht die zarte Singer/Songwriterin am Beginn einer internationalen Karriere: Für Aurora dennoch kein Grund abzuheben. Ihr unprätentiöser Plan für die nahe Zukunft: Einfach nur Songs schreiben. Quality traf die Sängerin mit der elfenhaften Aura, dem hellen Teint und dem weißen Pagenkopf in einem Szene-Hotel in Berlin. In Beste-Freundinnen-Manier plauderte sie mit uns in einem Schaukelstuhl über ihr Debütalbum, ihre Stilikonen und darüber, dass sie bei weitem nicht perfekt ist.
Mit erst 19 Jahren haben Sie einen Karrierestart vollbracht, von dem viele aufstrebende Musiker träumen. Wie hat sich Ihr Leben nach dem Vodafone-Kampagnensong „Running with the Wolves“ verändert?
Mein Leben hat sich sehr verändert: Ich bin viel unterwegs. Aber es ist schön, auf Tour zu sein, viel zu sehen und viel Zeit mit meiner Band zu verbringen. Meine Fanbase ist enorm gewachsen, was sich irgendwie eigenartig anfühlt, weil ich nicht will, dass ich für etwas Besonderes gehalten werde. Es ist mir wichtiger, dass man meine Musik mag. Am Ende des Tages bin ich nur ein Mädchen, das Songs schreibt.
Im Alter von neun Jahren haben Sie bereits angefangen, Songs zu schreiben. Was für ein Kind waren Sie?
Ich hatte eine sehr lebendige Phantasie und war ein sehr sensibles Kind, vielleicht ein bisschen zu sensibel. In der Schule fiel es mir schwer, mich zu konzentrieren. Oft sah ich aus dem Fenster, verschwand in meine eigene Welt und stellte mir Elfen, Trolle, Drachen, Abenteuer und Märchen vor. Ich war gerne alleine, habe Bücher gelesen und geschrieben.
In Os gibt es wahrscheinlich nicht so viele Trendscouts. Wie wurden Sie entdeckt?
Bis ich ungefähr 14 war, habe ich meine Songs nur für mich selbst geschrieben – keiner wusste davon, nicht einmal meine Eltern. Am letzten Tag der zehnten Klasse hatte ich an der Abschlussfeier meiner Schule einen kleinen Auftritt für ein Musikprojekt. Eine meiner Mitschülerinnen hat mich gefilmt und das Video auf Facebook gepostet. Ihre Freunde begannen es zu teilen, jemand von Made Management sah das Video und ihm gefiel, was er hörte. Er schickte mir eine Nachricht, lud mich zu einem Meeting ein und bot mir an, mich als Künstlerin unter Vertrag zu nehmen. Zu dem Zeitpunkt sah ich mich noch nicht als Künstlerin. Ich dachte, ich könnte eher Songs für andere schreiben. Aber ich unterschrieb – und jetzt bin ich hier.
Was hat es in Ihnen bewirkt, als Katy Perry ihren rund 80 Millionen Followern auf Twitter mitteilte, dass Ihre Musik ihr Herz höher schlagen lässt?
Es war irgendwie seltsam. Sie ist aus einer ganz anderen Welt als ich. Während sie das getwittert hat, habe ich geschlafen. Als ich aufgewacht bin, habe ich mich gewundert, wieso mein Handy die ganze Zeit vibriert. Ich hab mich riesig gefreut als ich es erfuhr. Ich dachte nur: Wow, das ist ziemlich nett von ihr. Über eine unbekannte norwegische Sängerin einen Post zu machen, ist schon ein toller Support von jemandem wie Katy Perry. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich ungefähr 6000 Fans auf meiner Facebook-Page, jetzt habe ich 96.000.
Ist ihre Welt eine Welt, von der Sie gerne Teil wären?
Ich denke nicht. Ich will einfach nur ein normaler Mensch sein, der ganz normale Sachen macht. Solange ich Musik machen kann, bin ich glücklich. Man verliert an Freiheit, wenn man berühmt wird. Ich denke nicht, dass ich Katy Perry-berühmt werde, aber ich werde immer bekannter. Besonders in Norwegen.
Stehen Sie nicht gerne im Mittelpunkt?
Ich glaube, keiner mag es gerne, im Mittelpunkt zu stehen. Anfangs mochte ich es überhaupt nicht auf der Bühne zu performen. Langsam gewöhne ich mich daran und genieße es sogar. Es ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl zu sehen, dass es Menschen gibt, die meine Musik schätzen. Mein Traum ist es, Songs zu schreiben – und meine Fans machen das möglich.
Ihr Debut Album „All my Demons greeting me as a friend“ kommt im März heraus. Haben Sie Ihren inneren Frieden mit Ihren eigenen Dämonen geschlossen?
Ja, absolut. Es ist wichtig, alles an sich zu akzeptieren wie es ist, keine Angst zu haben oder Ärger mit sich herumzutragen. Ich bin sehr dünnhäutig – alles, was ich sehe oder höre, nehme ich auf und es passieren so viele schreckliche Dinge in dieser Welt. Jedes Mal, wenn ich etwas Trauriges lese, berührt es mich. Es fühlt sich fast an, als hätte ich irgendwo einen Riss. Ich weiß nicht wo er ist und er kann nicht geschlossen werden. Alles fließt dort hinein. Manchmal sitze ich einfach da und weine. Ich liebe es zu weinen, ich weine jeden Tag. Es ist so instinktiv, menschlich und intensiv. Ich weine aber nicht nur wenn ich traurig bin, sondern auch, wenn ich etwas Schönes sehe, wie einen Vogelschwarm zum Beispiel. Angst zu haben, Glücklich sein, meine Familie zu vermissen – es gibt viele Dinge, die mich zum Weinen bringen. Diese Emotion rauszulassen, einen Song darüber zu machen und nicht mehr darüber nachzudenken, sondern nur dann, wenn ich den Song höre oder singe, ist sehr befreiend.
Ist Schreiben so etwas wie eine Therapie für Sie?
Absolut. Wenn ich keine Songs schreiben könnte, würde ich explodieren wie ein Ballon mit zu viel Luft (lacht).
Welcher Song Ihres neuen Albums war für Sie am Schwierigsten zu schreiben? Runaway habe ich geschrieben als ich 11 war. Damals hat der Song nicht zu meinem Leben gepasst. Jetzt tut er es, weil ich ständig unterwegs und fast nie Zuhause bin. „Take me home, take me home, where I belong“ (singt). Das komische ist, dass der Song unglaublich leicht zu schreiben war. Ich habe ihn in einer Nacht geschrieben. Jetzt ist er für mich live am Schwierigsten zu performen, weil er mich sehr berührt.
Könnten Sie sich auch vorstellen, etwas anderes als Musik zu machen?
Ich denke, wenn ich keine Musik machen würde, würde ich Bücher schreiben. Ich kann nicht anders als zu schreiben. Ich schreibe Gedichte und jeden Tag Tagebuch. Ich habe auch ein Traumbuch, in das nach dem Aufwachen meine Träume schreibe. Und ich liebe es zu tanzen. Zehn Jahre lang habe ich getanzt, Ballett, Modern Dance und Jazz Dance – ich liebe es, meinen Körper auf viele verschiedene Arten auszudrücken.
Integrieren Sie das auch in Ihre Performances?
Ich glaube, ja. Unbeabsichtigt. Ich bewege mich viel auf der Bühne und werde sehr emotional. Durch meine Stimme drücke ich eigentlich schon so viele Emotionen aus. Ich tanze nicht wirklich, sondern nutze einfach alles, was ich habe: meine Hände, Füße und Augen. Ich würde es eher Spasmen nennen (lacht).
Welche Musik hören Sie am liebsten, wenn Sie unterwegs sind?
Am liebsten höre ich klassische Musik. Ich bin die ganze Zeit von Lyrics umgeben und ganz froh, für kurze Zeit mal keine Wörter zu hören. Wenn ich ein Instrument zur Hand habe – ein Piano, eine Gitarre oder eine Harfe – dann schreibe ich meine Songtexte auf die Melodie. Meistens habe ich aber kein Instrument dabei, wenn ich reise. Die Melodie füge ich dann erst später hinzu. Am liebsten hätte ich immer ein Piano dabei, das ist aber leider zu groß, um es mitzunehmen.
Gibt es andere Künstler, die Sie gerne hören?
Ich mag Goldmund, ich glaube es ist eine deutsche Band. Ansonsten höre ich am liebsten Cohen, Dylan, Mozart, Beethoven oder Chopin. Meistens kaufe ich mir Alben, denn ich habe kein Spotify oder iTunes – ich habe mir allerdings vorgenommen, mich zu bessern. Es gibt da draußen so viele wundervolle Künstler zu entdecken. Ach ja, Asbjørn finde ich toll. Er kommt aus Dänemark und hat fast die gleiche Haarfarbe wie ich, obwohl mein Blond eher grau ist. Ich bin eine Oma (lacht).
Ich finde Ihren Look ziemlich außergewöhnlich. Was sind Ihre Stilikonen?
Danke. Ich mag Mode, weil man damit seine Persönlichkeit ausdrücken kann. Meistens finde ich meine Klamotten auf dem Speicher. Das Oberteil, das ich gerade trage ist aus den 90ern. Er ist von meiner älteren Schwester und der Rock von meiner Mutter. Ich mag eher altmodische Dinge, lange Röcke oder weite Hosen mit Hosenträgern und Erdfarben wie Braun, Grün oder Grau. Ich bin ein Fan der 90er und Menswear aus den 20er Jahren. Ich liebe den Stil von Charlie Chaplin! Außer den Schnauz und seinen Hut.
Sind Sie eine Perfektionistin?
Ich bin auf jeden Fall eine Perfektionistin, liebe es aber auch, wenn Dinge nicht perfekt sind. Wenn ich zum Beispiel den Ton bei einem Recording nicht treffe, aber die Energie stimmt, dann würde ich mich für diese Aufnahme entscheiden. Ich liebe es, wenn sich alles lebendig anhört. Mir ist es wichtig, dass der Song, das Video und das Bild so gut sind, wie es nur geht. Manchmal macht mich dieser Anspruch verrückt. Ab und an bin ich vielleicht ein bisschen verrückt (lacht).
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