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Synthie-Pop in höchster Form. Sanfte StreicherArrangements und die unverkennbare Stimme von Morten Harket – mit Hits wie „Take on me“, „Sun always shines on TV“ oder „Summer moved on“ pflasterten a-ha ihre nun mehr 30-jährige Karriere hinauf in den Pop-Olymp. Mit 80 Millionen verkauften Tonträgern weltweit kann ihnen keine andere norwegische Popband das Wasser reichen. Revolutionär und unvergessen: Die im Video zur Debutsingle verwendete Montage von realer und mit Bleistift gezeichneter Comic-Welt. 2010 gaben die drei Norweger das vorläufige Ende der Band bekannt. Jetzt wollen sie’s noch einmal wissen: Mit „Cast in Steel“ schicken die Drei fünf Jahre nach der offiziellen Trennung ein neues Album ins Rennen. Gekocht wurde nach typischem a-ha Rezept. Die Zubereitung wirkt deutlich reifer. Ein Gespräch über Liebe, die Zeit und die Vor- und Nachteile von Musikanbietern.

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Die 80er Jahre kommen zurück, wenn man sich Designer oder auch die Mode anschaut. Was denken Sie über diese Zeit, in der ihre Karriere begann?

Magne Furuholmen: Ich persönlich denke, dass jedes Jahrzehnt zu sehr nach seinen offensichtlichen Charakteristika beurteilt wird. Es gab viel großartige Musik, was es schwer machte zu entscheiden, was wirklich gut und was richtig Mist war. Uns war klar, dass Erfolg nicht unser Erbe sein sollte. Wir wollten Musik schaffen, die sich anstrengt, ein Erbe zu sein. Viele Jahre war der Erfolg das, nach dem man beurteilt wurde, entgegen dem Fakt, dass wir einfach erfolgreich waren. Viele der Dinge aus den 80ern wurden in den 90ern einfach weggewischt. Sogar wir wollten die 80er loswerden als die 90er kamen. Musik wurde in den 90ern und 2000ern von so vielen Dingen beeinflusst.

Worin liegt der entscheidende Unterschied zwischen damals und heute?

Morten Harket: Es ist das Werkzeug, das dir an die Hand gegeben wird. Wenn das Werkzeug ganz neu und aufregend ist, hat es natürlich eine größere Bedeutung. Dann beginnt plötzlich jeder damit zu arbeiten. Es wird laut. Es verliert seine Jungfräulichkeit. Irgendwann haben dann die Leute die Nase voll davon.

Magne Furuholmen: Ich denke, viele bedienen sich der 80er, sowohl an den guten wie den schlechten Dingen, aber eben anders. Sie nutzen einen anderen Zugang. „Recyceln“ trifft es da wohl am besten. Popmusik, Mode, alles wird immer und immer wieder recyelt.

Wenn man nicht in den 80ern aufgewachsen ist, hält man möglicherweise bestimmte Ausprägungen für besonders wichtig, obwohl sie das zu jener Zeit in Wirklichkeit nicht waren. Man hat einen anderen Blick auf die Dinge.

Magne Furuholmen: Genau, man sieht eben verschiedene Seiten.

Morten Harket: Aber das liegt auch daran, dass der Hintergrund sich dramatisch geändert hat. Man hat alles anders aufgenommen. Auch die Art, wie man gehört hat. In den frühen 80ern hatte man das Gefühl, dass Synthie-Musik niemals emotional sein könnte. Es war eher etwas, das sehr klinisch, sehr roboterhaft klang. Im Laufe des Jahrzehnts gab es dann immer mehr emotionale Musik, die mit Technik hergestellt wurde. Wir waren ein Teil davon. Ich denke, das war bisher die letzte Dekade, die sich nicht an Vergangenem orientiert hat, sondern etwas wirklich Neues schuf. Das machte es für eine Band wie unsere möglich, diese Art von Sound zu kreieren. Nur wir drei im Studio, unsere Ideen durch die Gegend werfend, Dinge zu programmieren. Aber wir hatten zum Beispiel keinen Schlagzeuger. Eine Band ohne Schlagzeuger, das fühlte sich nicht richtig an. Aber dann bemerkten wir, dass es mit einem Drum-Computer doch etwas anderes wurde. Später wurde der Schlagzeuger „verfeinert“. Wir erhielten ihn am Leben.

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Photo: Just Loomis

Ich habe Ihr neues Album gehört, und mir gefiel besonders der Song „Objects in the mirror“. Hier gibt es diese eine Textzeile, in der es heißt „Love could make a life complete“ („Liebe kann das Leben vervollständigen“). Welche Art von Liebe wäre das, wann würden Sie sagen „Das ist für mich Liebe!“?

Morten Harket: Liebe hat alle Ausdrucksmöglichkeiten. Liebe ist kein Besitz. Eher, Dinge wie sie sind zu akzeptieren und nicht zu versuchen, alles zu ändern. Dingen und Menschen zu erlauben, sie selbst sein zu dürfen.

Magne Furuholmen: Dieser Song wurde als eine Art Metapher für das Zurückblicken geschrieben. Es gibt auf den Autorückspiegeln manchmal den Satz „Object in the Mirror are closer than they appear“ („Objekte im Rückspiegel sind näher als sie erscheinen“, Anm.) Hier geht es mehr um eine Retrospektive. Ich habe versucht, die Musik, die wir in der Vergangenheit gemacht haben, darin zu integrieren. Es war also mehr ein Rückblick, sogar noch vor der Zeit von a-ha, gedacht. Ich wollte einige Aspekte dieser Reise herauspicken. Es beginnt mit dem Rückblick und die Zeile „Objects in the mirror are closer than they appear” ändert sich in “Objects in the mirror seem to disappear” (“Objekte im Rückspiegel scheinen zu verschwinden”). Also es sollte mehr eine Art Autoreise zurück in dein Leben, zurück in deine alte Nachbarschaft werden.

Morten Harket: Aber das ist ein guter Punkt. Es gibt die aktive Liebe einerseits und die erlebte Liebe, die eben etwas anderes ist. Um Liebe zu erleben, musst du diese tiefe Verbindung zu dir selbst fühlen. Es gibt den Dingen eine Bedeutung aus sich heraus. Wenn du Liebe erlebst, ist das im Sinne einer tieferen Bedeutung. Es bedeutet, sich vollständig zu fühlen.

Magne Furuholmen: Wenn ich an Liebe denke, stelle ich sie mir wie Weizen vor. Man säht ihn, er schlägt Wurzeln, wächst dort, wo man es zuvor nicht erwartet hätte, wild und eben unerwartet.

Morten Harket: Somit ist Liebe höchstwahrscheinlich die Essenz unseres Lebens.

Angelehnt an den Song: Was denken Sie, wenn Sie in den Spiegel schauen?

Magne Furuholmen: Ehrlich gesagt sehe ich dann eine jüngere, etwas dümmere Version meiner selbst, die mir da entgegen springt. Ich habe damit meinen Frieden gemacht. Dabei meine ich das „In-den-Spiegel-schauen“ als eine Metapher. Ich vergebe meinem jüngeren Ich und lerne davon. Aber die Idee des Spiegels als Abbild verschiedener Lebensstationen ist wirklich interessant. Es geht darum, was man will und was man erwartet, denn es ist schwer, in den Spiegel zu schauen und nicht vorzugeben, jemand zu sein. Die meisten Menschen finden viele Wege, wie sie sich selbst etwas vormachen können. Egal, ob sie beispielsweise jünger sein wollen. Es geht immer darum, wie du dich selbst in der Welt siehst. Normal ist, dass der Blick in den Spiegel sich verändert, wenn wir älter werden. Das weiß man erst, wenn man an dem Punkt angelangt ist. Wir haben in den letzten Tagen viel über die Flüchtlingswellen gesprochen und in welcher Gesellschaft man leben will. Will man wirklich in einer abgeschotteten Gemeinschaft leben und alle anderen bleiben draußen? Das alles ist auch ein Teil von dem, was man sieht, wenn man in den Spiegel schaut. Es ist die Betrachtung dessen, wer wir sind, wohin wir gehen und was wir tun oder nicht tun wollen. Wir leben in einer großartigen, komplexen Zeit. Ich möchte daran wirklich nichts ändern. Ich denke, gerade in dieser interessanten und auch problematischen Zeit ist der Blick in den Spiegel eine gute Übung.

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Photo: Just Loomis

Sie haben die Möglichkeit, auch Ihre Gedanken in dieser Richtung einem größeren Publikum mitzuteilen. Nutzen Sie diese?

Morten Harket: Bei dem, was aktuell passiert, ist es extrem wichtig, sich zu positionieren, zu definieren, wer wir sind. Und zwar genau jetzt. Deutschland ist ein leuchtendes Vorbild in Europa: Das Land ist offen für Immigranten, was großartig ist. Wissen Sie, es ist manchmal wirklich deprimierend, dass sein eigenes Land sich in dieser Sache so enttäuschend verhält und auch, dass man selbst nichts machen kann, was eine spürbare Veränderung zur Folge hätte. Wir sitzen hier und reden über Musik, statt etwas Konkretes zu tun. Wir sind alle drei etwas zögerlich, wenn es darum geht, unsere Plattform für unsere politischen Intentionen zu nutzen. Wir nutzen unsere Musik, unserer Reflektionen um Themen zu vermitteln, die Leben bedeuten. Das ist möglicherweise eine viel gefestigtere Form. Kunst sollte gefestigter sein. Es gibt natürlich auch großartige politische Musik und Kunst. Aber für uns gab es immer diesen zentralen Gedanken, dass wir den Leuten nicht erzählen wollten, was sie zu tun haben.

Magne Furuholmen: Ich hätte nichts dagegen, die Menschen zu inspirieren, Dinge anzupacken.

Hat sich Ihr Publikum verändert?

Morten Harket: Es ist älter geworden, aber es kommen auch immer wieder jüngere Menschen dazu. Die Altersspanne liegt zwischen 15 und 40 Jahren. Eigentlich sind es sogar drei Generationen. Am Anfang haben wir uns mit dieser Art von Homogenität etwas unwohl gefühlt. Aber wir haben unser Publikum auch aufwachsen gesehen. Das gefällt uns. Wir machen eben keine Musik für eine ganz spezielle Gruppe von Menschen.

Welche Musik hören Sie privat? Hat sich ihr Musikgeschmack über die Jahre geändert?

Pål Waaktaar-Savoy: Oh, da muss ich erst einmal meine Spotify-Liste checken. Wir hören immer noch die Sachen, mit denen wir aufgewachsen sind. Nicht sehr fokussiert. Ich verbringe die meiste Zeit damit, nach neuer Musik Ausschau zu halten. Dafür bieten sich solche Musikplattformen wie Spotify sehr gut an.

Magne Furuholmen: Es gibt wirklich nichts, was mehr bereichert, als einen neuen Künstler zu entdecken, der dich einfach umhaut. Das passiert ab und an sogar. Ich bekomme viel durch meine Kinder mit. Sie entdecken etwas und zeigen es mir und ich zeige ihnen etwas aus meiner Zeit. Ich weiß, dass mein Sohn sehr musikinteressiert ist und auch Musiker werden will. Das berührt mich natürlich sehr. Er entdeckt immer wieder Bands, die wir zu unserer Zeit gehört haben. So gut diese Musikanbieter auch sind, so schwer ist es trotzdem noch, wirklich gute Musik von damals zu finden, die eben nicht so bekannt war. Mein Sohn hörte sich zum Beispiel Joy Division an, aber hatte noch nichts von Echo & the Bunnymen gehört. Er interessiert sich wirklich sehr dafür, auch für die Smiths und diese ganze ManchesterMusik. Wenn man Musik über Musikanbieter hört, bekommt man ja immer diese weiterführenden Musikvorschläge. Ich bin sehr skeptisch, was diese Vorschläge angeht. Es gibt immer etwas, was noch interessanter sein könnte und was dir dann nicht „vorgeschlagen“ wird. Es ist heute eben anders, einen Zugang zu Musik zu bekommen, als früher. Wir haben damals Bands wirklich entdeckt. Wir entdeckten Jimi Hendrix, dann The Doors, dann Janis Joplin. Heute ist schon alles da. Du tippst einfach den Namen eines Künstlers ein. Du kannst Playlisten zusammenstellen, was aber mehr einem musikalischen Durcheinander gleicht.

Pål Waaktaar-Savoy: Ja. Früher mussten wir uns jeden zweiten Monat ein Album kaufen, wenn wir eines hören wollten.

Sind Sie immer noch nervös, wenn Sie auf die Bühne gehen? Oder hat sich das mit den Jahren geändert?

Morten Harket: Für mich hat sich nichts geändert. Ich habe immer noch Angst. Aber natürlich bin ich bei manchen Dingen, die mich persönlich angehen, etwas relaxter. Es geht darum, sich zu akzeptieren, mehr mit sich im Reinen zu sein. Ich verstehe nun, dass ich mir selbst erlauben muss, ich selbst zu sein. Was auch immer das ist, damit kann ich leben.

Vielen Dank für das Interview.

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Photo: Just Loomis

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