01 Apr Die namenlose Stunde
Florian Dombois verändert unser Zeiterleben. Er erzeugt magische Momente der Ruhe und Besinnlichkeit, die sich von der Schnelllebigkeit des Alltags abheben. Vor prächtiger Kulisse öffnet er die Zeit und gewährt uns einen Blick ins Innere.
Meist zerrinnt uns die Zeit zwischen den Fingern. Sie ist flüchtig und vergeht zu schnell, fehlt uns am Morgen und Abend, zum Feierabend und am Jahresende. Der Züricher Künstler Florian Dombois macht uns jedoch ein Geschenk: In eleganter Verpackung überreicht er uns eine namenlose Stunde zur freien Verfügung. Endlich haben wir Zeit.
Im Dresdner Zwinger inszeniert Dombois seit einigen Jahren seine Kunstaktion „Inverse. Ein neuer Brauch für Dresden“. Anlässlich der Umstellung von Sommer- auf Winterzeit lädt er zur Teilnahme im Dresdner Prachtbau ein. Das Publikum versammelt sich vor der Uhr des Zwingers, die ab 3 Uhr für eine Stunde stillsteht, und entzieht sich damit dem alltäglichen Vergehen der Zeit. Die Gäste sind eingeladen, die unbewegte Zeit zu genießen und die Gedanken von den Zwängen der Routine zu befreien. Dazu wird passend zur klassischen Kulisse und dem außergewöhnlichen Anlass eine zehnminütige Komposition auf dem Glockenspiel des Zwingers gespielt.
Der Künstler verändert mit seinem Dresdner Ritual unsere Wahrnehmung von Zeit. Die namenlose Stunde gleicht dabei einem leeren Raum, der hinter verschlossenen Türen liegt. Niemand beachtet ihn oder betritt ihn. Vielmehr wird er verschlafen und übersehen. Dombois aber öffnet die Türen zu diesem Raum und füllt ihn mit Musik, Unterhaltung und Erinnerungen. Er lädt seine Gäste ein, Gedanken und Anekdoten auszutauschen. Er füllt und bereichert die namenlose Stunde und macht sie zu einem besonderen Erlebnis. Dafür stellt er die passende Szenerie zur Verfügung – die pompöse Eleganz des Zwingers und die träumerischen Melodien der Glocken. Manch ein Gast kommt dabei ins Schwärmen und stellt sich den alten Adel des sächsischen Königshofes vor, mit prächtigen Kleidern und flottem Tanzschritt. Ein edles Durcheinander.
Im letzten Jahr stammte die vorgetragene Komposition von der jungen, ausgezeichneten Komponistin Olga Bockhina aus Russland. Für zehn Minuten wurde ihre Musik zur Einleitung der namenlosen Stunde gespielt. Sie führte die Gäste aus dem Alltag der messbaren Zeit hinüber in den Zwischenraum der schwebenden Zeit. Dombois und Bockhina verwandelten die Zeit in ein magisches Erlebnis und machten den Besuchern ein besonderes Geschenk.
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